Judit

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  • Erschienen: Januar 2005
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  • , 2001, Titel: 'Judita', Originalausgabe
Judit
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Jörg Kijanski
701001

Histo-Couch Rezension vonApr 2008

Nah am Originaltext, aber mit markanten Abweichungen

Kurzgefasst:

Klug, schön und von hoher Geburt, wird Judith dem reichen, um vieles älteren Manasses zur Frau gegeben. Sie liebt ihn nicht und schenkt ihm auch keine Kinder. Daraufhin verstößt er sie. Als er stirbt, sühnt sie nichtsdestotrotz seinen Tod in zweijähriger, selbst gewählter Askese. Da fallen die Syrer in Israel ein. Der Hohepriester erlegt Judith die Pflicht auf, ihre Schönheit in den Dienst des Vaterlands zu stellen: Er befiehlt ihr, den feindlichen Feldherrn Holofernes mit ihren weiblichen Reizen zu verführen, ihn zu töten und als Zeichen der vollbrachten Tat seinen Kopf nach Jerusalem zu bringen.

Gehorsam begibt sich Judith mit ihrer Dienerin in das Heerlager des Feindes. Dort jedoch tritt ihr Holofernes vollkommen unerwartet nicht als wüster Barbar gegenüber, sondern als umsichtige, feinsinnige und charismatische Führerpersönlichkeit. Judith muss erkennen, dass sie in ihrem größten Feind jenen Mann vor sich hat, der ihr als Einziger ebenbürtig ist. Zugleich weiß sie: Der Auftrag des Hohepriesters muss zu Ende gebracht werden.

 

Wer bislang noch nicht wusste, aber schon immer mal wissen wollte, was oder besser gesagt wer sich hinter dem Künstlernamen der Sängerin Judith Holofernes der erfolgreichen deutschen Musikgruppe "Wir sind Helden" verbirgt, der findet in dem Roman Judit von Miro Gavran eine Antwort. Es ist die Geschichte einer ebenso außergewöhnlichen wie tragischen Liebe.

Die Israelitin Judit hat kein einfaches Leben. Sie wächst in der Stadt Betulia als Tochter einflussreicher Eltern auf. Dennoch wird sie von den anderen Kindern gemieden. Dies ändert sich erst im jugendlichen Alter, als sie Eliab, einen guten Freund ihres Bruders, kennen lernt. Die beiden fühlen sich zueinander hingezogen, doch als Eliab bei Judits Vater um die Hand der Tochter anhält, erfährt er, dass er drei Tage zu spät kommt. Judit wurde bereits Manasse versprochen, dem reichsten Sohn der Stadt. Nur einen Monat später werden die Einwohner Betulias auf den Marktplatz gerufen, denn es gilt Gericht zu halten. Eliab wird des Ehebruchs mit der Frau seines Nachbarn angeklagt und entsprechend der Tora zum Tod durch Steinigung verurteilt. Judit fühlt sich zunächst von Eliab verraten, bringt es jedoch nicht über ihr Herz, selber einen Stein zu werfen, da sie plötzlich ahnt, dass Eliab dies nur wegen seiner unerfüllbaren Liebe zu ihr tat.

Die Ehe mit Manasse ist für Judit eine Tortur. Nicht nur, dass ihr Mann äußerst unansehnlich ist, er ist auch grob zu ihr. Doch die ungewollte Ehe hält kein Jahr, da Manasse plötzlich stirbt. Judit will fortan ein Schuldopfer darbringen als Ausgleich für ihre Sünde der Gefühllosigkeit ihrem Mann gegenüber. Zwei Jahre führt sie ein strenges Fastengebot gegen sich selbst und wird dadurch in Betulia zu einer "besonderen" Frau. Als sie später ein normales Leben führen könnte, erreicht ein Bote des gefürchteten Heerführers Holofernes die Stadt. Dieser fordert, dass sich die Einwohner kampflos ergeben, ansonsten würden sie von dem 120.000 Mann starken Heer angegriffen und vernichtet. In ihrer Verzweiflung kommen der Stadtvorsteher Usija und Jojakim, der Hohepriester Jerusalems, auf einen teuflischen Plan. Entgegen allen Gesetzen der Tora soll sich Judit versündigen und Holofernes verführen, um diesen dann in einem geeigneten Moment zu ermorden. Widerwillig lässt sich Judit auf diesen Vorschlag ein, um ihr Volk zu retten. Zu Judits Überraschung ist Holofernes jedoch nicht der befürchtete blutrünstige Soldat, sondern ein intelligenter und einfühlsamer Mann, wie sie ihn nie zuvor kennengelernt hat.

Judit, erschienen im Seifert Verlag, ist ein dünnes Buch. Die Geschichte endet bereits auf Seite 100, es folgen Anmerkungen, der Originaltext und eine Nachbemerkung des Übersetzers, die eigentlich diese Rezension überflüssig macht. Die Geschichte der Jüdin Judit, die mit dem größten Feldherrn von Nebukadnezar, dem König Assyriens, erstmals die wahre Liebe erfährt und diesen letztlich doch zum Wohl ihres Volkes töten muss, ist aus der Bibel hinreichend bekannt. Dennoch gelingt es dem bedeutenden kroatischen Autor Miro Gavran, die Geschichte mit eigenen "Nuancen" wirkungsvoll zu erzählen. So tritt beispielsweise Nebukadnezar nicht selber in Erscheinung, sondern wird lediglich durch Aussagen seines Feldherrn dargestellt. Miro Gavran hält sich aber weitestgehend sehr eng an den Originaltext mit dem Ergebnis, dass "Judit" im ersten Drittel eine "theologische Lehrerzählung" ist. Immer wieder werden ganze Passagen der Tora wiedergegeben, was nicht-religiöse Leser/innen als eher unangenehm empfinden dürften. Demut und Beten bestimmen Judits Leben, damit der Gott dessen Name Ewiger ist ihr wohlgesonnen sei. Dabei hat ausgerechnet Judit alles andere als ein schönes Leben. Als Kind isoliert, später einen unerträglichen Ehemann, und als wäre dies nicht genug, muss sie sich auch noch versündigen, um den größten Feind Israels zu vernichten. Gerade dieser entpuppt sich jedoch als einziger Mensch, zu dem Judit sich hingezogen fühlt. Einen Mann mit dem man reden kann, der Gefühle hat und zudem durchaus "intellektuell" ist, so etwas kannte Judit bislang nicht. Doch beide, Judit und Holofernes, sind gefangene Marionetten ihres jeweiligen Umfeldes. So bekennt sich Holofernes folgenschwer zu seiner einzigen großen Liebe.

 

 

Du wirst meine Frau oder mein Scharfrichter sein. In beiden Fällen aber wird dein Schicksal mit mir verknüpft sein.

 

Der Ausgang ist bekannt. Der Übersetzer Hans-Joachim Lanksch weist in seiner Nachbemerkung darauf hin, dass es sich um ein unhistorisches Werk handelt, da beispielsweise "Ninive, die Hauptstadt des assyrischen Reiches, die in der biblischen Erzählung und damit auch in Miro Gavrans Roman als Inbegriff assyrischer Macht und Pracht eine Rolle spielt, schon vor dem Regierungsantritt König Nebukadnezars zerstört worden" ist. Über die religiöse Einschätzung und Bedeutung des "Buches Judit" aus christlicher wie jüdischer Sicht (Altes Testament / Teil der Septuaginta) mögen geeignetere Personen urteilen.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass Miro Gavran ein lesenswertes Buch vorgelegt hat, dass mit seiner tragischen Liebesgeschichte nicht nur religiös interessierte Leser/innen ansprechen könnte, wenngleich der Ausgang der Geschichte hinlänglich bekannt ist.

 

Judit

Miro Gavran, -

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