Maria Krickl
„Ich habe unzählige Ideen, die ich verwirklichen möchte“
10.2016 Die Histo-Couch im Interview mit Gudrun Maria Krickl über den Dreißigjährigen Krieg, ihre Sachbücher und ihre Arbeitsweise.
Histo-Couch: „Die Töchter von Rosengarten“ ist Ihr erster historischer Roman, was hat Sie dazu bewogen einen Roman zu schreiben und kein weiteres Sachbuch?
Gudrun Maria Krickl: Das war eine Entwicklung. Zunächst habe ich selber sehr gerne historische Romane gelesen und dadurch ein Interesse für historische Themen entwickelt. Mit „Ritter Mönch und Bauersleut“ von Peter Breuer begann der Wechsel zu den Sachbüchern, darunter beispielsweise die wunderbaren Biografien über Eleonore von Aquitanien oder Blanca von Kastilien von Régine Pernoud. Interessanterweise habe ich beim Schreiben mit den Sachbüchern begonnen. Aber der Wunsch, einen Roman zu schreiben, wuchs stetig. Ein Roman bietet deutlich mehr Ebenen; Fiktion und Realität verschmelzen zu etwas ganz Neuem, selbst Geschaffenen. Zudem spielt die emotionale Ebene eine große Rolle. Denn obwohl ich gerne mit der historischen Realität arbeite und genau recherchiere, bin ich eine große Romantikerin. Dies kann ich in einem Roman ausleben, in einem Sachbuch kaum.
Histo-Couch: Und wer hat sie zu dieser Geschichte inspiriert, gibt es ein reales Vorbild in ihrem Umfeld? Warum ausgerechnet die Zeit des Dreißigjährigen Krieges?
Gudrun Maria Krickl: Ein richtig reales Vorbild gibt es nicht. Die erste Idee zu meinem Roman kam mir aber tatsächlich während der Entstehung des letzten Sachbuchs „Brautfahrt ins Ungewisse – Lebenswege württembergischer Herzoginnen“. Mit dem Porträt der Anna Catharina von Salm-Kyrburg, später Herzogin von Württemberg, begann die Faszination für eine Epoche, die ich vorher schlicht übergangen hatte: Das frühe 17. Jahrhundert war eine Zeit massiver Umbrüche, ausgelöst durch eine Kette gewaltsamer kriegerischer Auseinandersetzungen, die die Geschichtsschreibung heute als den 30jährigen Krieg bezeichnet. Als ich mich tiefer einlas, ging mir auf, wie vielschichtig das Thema ist. Und es ist wichtig. Ausgelöst durch einen Glaubenskonflikt geriet ganz Mitteleuropa sprichwörtlich aus den Fugen. Die Menschen verließen in Massen Städte und Dörfer, eine enthemmte Soldateska wütete jahrzehntelang, prägte den Begriff des Söldners und der versengten Erde. Unzählige Männer kannten gar keine andere Art der Existenz und des Broterwerbs mehr, als sich raubend und mordend zu nehmen, was sie begehrten – Nahrung, Kleidung, Frauen. Die Schlachten selbst fanden auf den Schlachtfeldern statt, für das Volk waren die umherziehenden Heere das weit größere Problem. Mit dem Fortschreiten des Krieges verrohten die Menschen, eine Folge klimatisch schwieriger Jahre, die heute als Kleine Eiszeit bezeichnet werden, verstärkte das Problem. Es ging ums nackte Überleben.
Eine sich derart auflösende Gesellschaft ändert die bestehende Ordnung. Und so waren in dieser Zeit Begegnungen möglich, die es sonst nicht gegeben hätte. Wie die Geschichte der württembergischen Herzogin, die den Herzog im Exil kennen und lieben lernt und die ihn heiratet, obwohl sie unter Stand war. Völlig andere Karrieren wurden möglich – beispielsweise die eines Schumachers, der über eine militärische Laufbahn schließlich einen schwedischen Adelstitel verliehen bekam. Das alles macht diese Zeit für Autoren, die bereit sind, sich in die komplexe Thematik einzuarbeiten, hochinteressant.
Histo-Couch: In Ihrem Sachbuch „Brautfahrt ins Ungewisse“ schreiben Sie über württembergische Herzoginnen, was oder wer hat Sie auf diese Idee gebracht?
Gudrun Maria Krickl: Die Idee gab es schon lange. Nach meinem Buch Geliebte Kinder über die Mutter Eduard Mörikes reizte mich ein Adelsthema. Ein Blick in die württembergische Geschichte ergab, dass es einige sehr interessante Lebensläufe gab, die allesamt Stoff für einen Roman hergegeben hätten. Ich habe das Sachbuch gewählt, um einmal den Frauen, die in der Geschichtsschreibung oftmals hinter ihre Männer zurücktreten müssen, eine Stimme zu geben. Dabei kam Erstaunliches zutage – Lug und Trug, Mord und Totschlag, leidenschaftliche Liebe und abgrundtiefer Hass, feinsinnige Hintergründe und knallharte Politik. Es brauchte keinen Roman, um diese Lebensbilder zu entwerfen. Sie sprechen für sich.
Histo-Couch: Wie sind Sie überhaupt auf die Idee gekommen, historische Sachbücher zu schreiben?
Gudrun Maria Krickl: Durch einen Zufallsfund – und eine schon lange bestehende Affinität zum Schreiben. Diese schlummert in einem, ist mal mehr, mal weniger präsent, aber irgendwann kam die Initialzündung. Im Dokumentenschrank meiner Schwiegermutter fand ich ein altes, handgeschriebenes Buch. Zunächst musste ich mir das Alte Deutsch aneignen, bevor ich verstand, worum es darin ging: Die Lebensgeschichte des Urururgroßvaters meines Mannes. Ich habe ein Transkript angefertigt und daraus eine Erzählung gemacht. Ja, und dann kam die Zusage eines Verlages und die Geschichte nahm ihren Lauf.
Histo-Couch: Es gibt ja bereits vier von Ihnen, wird noch ein weiteres Sachbuch dazu kommen?
Gudrun Maria Krickl: Im Augenblick nicht. Ich liebe das Romanschreiben, hier bin ich angekommen. Und ich habe unzählige Ideen, die ich verwirklichen möchte.
Histo-Couch: Wie ist es überhaupt mit dem Schreiben? Wie sind Sie dazu gekommen und wie sieht eine Recherche zu einem Thema bei Ihnen aus?
Gudrun Maria Krickl: Wie gesagt, eine Leidenschaft für Bücher und Schreiben hatte ich schon immer. Schon früh wurden kleine Werke verfasst und mit selbst gemalten Bildern verschönert. Und dann der oben erwähnte Zufallsfund …und die Autorin war geboren.
Ich recherchiere auf mehreren Ebenen. Einen ersten Überblick verschaffe ich mir gerne auch im Netz, ferner suche ich mir Basisliteratur zum Thema. Dann geht es, je nach Thema, in Archive. Und schließlich die Vor-Ort-Recherche.
Histo-Couch: Arbeiten Sie mehr am PC oder schauen Sie sich die Handlungsorte auch vor Ort an?
Gudrun Maria Krickl: Das Manuskript selbst tippe ich direkt in den PC. Nahezu alle Handlungsorte besuche persönlich, denn diese Eindrücke sind wichtig, wenn ein Buch plastisch und lebendig werden soll. Eine zeitliche Einteilung meiner Tätigkeiten ist schwierig – ich reise, lese viel Literatur zum Thema, sichte eventuell Archivmaterial, suche nach interessanten Anekdoten und Einzelheiten. Diese Dinge werte ich handschriftlich aus, manchmal sind auch Kopien darunter, und sammele sie in verschiedenen Schnellheftern, einen jeweils zu einer bestimmten Thematik. Und vom Thema hängt dann auch ab, wie viel aufwendige Vorarbeit nötig ist, oder ob ich recht schnell mit dem Schreiben beginnen kann.
Histo-Couch: Wenn Sie an einem neuen Projekt arbeiten, wer darf dann die ersten Seiten lesen? Oder darf erst gelesen werden, wenn das komplette Buch fertig ist?
Gudrun Maria Krickl: Die ersten Seiten liest meist ein Lektor im Verlag. Aber ich gebe sie durchaus auch Menschen, von denen ich denke, dass sie mir Anregungen geben können, meine Mutter, mein Mann, meine Schwester. Das große Ganze aber, das entsteht doch recht nah bei mir.
Histo-Couch: Arbeiten Sie schon an einem neuen Projekt und wenn ja, dürfen Sie schon darüber erzählen?
Gudrun Maria Krickl: Ich schreibe an einem neuen Roman. Und da ich gerne die Epochen wechsele, handelt dieses Manuskript von der Familie eines Stuttgarter Schokoladefabrikanten im frühen 20. Jahrhundert. Das Buch wird eine Familiensaga und ein Sittenbild der Zeit, ein bisschen im Stile von Downton Abbey, aber genau in die damaligen Verhältnisse hinein recherchiert. Es wird spannend, köstlich, kurios, aber auch romantisch und sinnlich. Und wieder gibt es erstaunliche Begebenheiten, die tatsächlich passiert sind. (lacht) Ein echter Gudrun Maria Krickl – Roman eben.
Das Interview führte Karin Speck.
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