Barbaren - Staffel 1

Serien-Spezial von Carsten Jaehner (11.2020)/ Titelbild: © Katalin Vermes / Netflix

Die Schlacht am Teutoburger Wald als deutsche Serie

Germanien im Jahr 9 nach Christus. Schon seit ihrer Kindheit kennen sich die Cherusker Thusnelda und Folkwin. Einst waren sie drei Freunde, aber der dritte im Bunde wurde einst als Kind von seinem Vater Segimer an die Römer verkauft, um den Frieden zwischen den Germanen und den Römern zu sichern. Thusnelda und Folkwin sind ein Liebespaar, doch Thusneldas Vater Segestes will sie an einen anderen Stammesfürsten verkaufen. Als die Römer mit Varus einen neuen Statthalter einsetzen, führen sie neue Gesetze ein und bringen auch neue Offiziere mit, darunter auch Arminius, der einst von seinem Vater an die Römer verkauft wurde. Ihm fällt nun die Rolle des Vermittlers zwischen den Römern und den Germanen zu.

Doch er besinnt sich seiner Herkunft, auch, da er von Varus enttäuscht wird. Es gelingt ihm, die Stämme zu vereinen und mit einem klugen Plan das Römische Heer von über 15.000 Soldaten zu besiegen. Die Nachwirkungen des Sieges werden einer möglichen zweiten Staffel überlassen. 

Varus als Ziehvater von Arminius

Mit „Barbaren“ ist die erste große internationale Netflix-Produktion aus Deutschland gestartet. Sechs Folgen à jeweils etwas über 45 Minuten entführen den Zuschauer in das Germanien im Jahre 9 nach Christus und lässt ihn an der Geschichte der Varus-Schlacht im Teutoburger Wald teilhaben. Tatsächlich weiß man bis heute nicht genau, ob und wo und wann diese Schlacht stattgefunden hat, jährlich gibt es neue Ausgrabungen und die Geschichte wird immer wieder korrigiert und neu bewertet. Gesichert sind nur wenige Fakten, die aber in der Serie aufgegriffen werden und dem Zuschauer präsentiert werden.

Fiktiv ist die Rolles des Folkwin (überzeugend: David Schütter), um Arminius einen Freund und Gegenpol gleichzeitig zu geben. Die traute Dreisamkeit aus der Kindheit zwischen Folkwin, Thusnelda und Arminius wurde durch den Verkauf des jungen Arminius‘ an Varus jäh unterbrochen, und Thusnelda und Folkwin rechneten nicht mehr damit, Arminius je wiederzusehen. Die erste Folge der Staffel wird für die Darstellung der Ausgangssituation genutzt und man ahnt bereits, wer gut ist und wer böse und wer ein Verräter ist. Dieser erscheint in Figur von Thusneldas Vater Segestes (historisch korrekt, daher keine Überraschung, von Bernhard Schütz schön speichelleckerisch gegenüber Rom gespielt), der seine Tochter für fünf Kühe an einen anderen Stammesreik (Reik = Stammesoberhaupt) verkauft, was Thusnelda natürlich nicht will. Zudem hegt Segestes Ambitionen, selbst Reik der Cherusker zu werden.

Gute Darsteller

Arminius wird von Laurence Rupp dargestellt, ein wenig glatt, irgendwie hatte man sich einen Cheruskeranführer bärtiger und brutaler vorgestellt, aber da er ja aus dem Römischen Heer kommt, wo alle Männer geniegelt und gestriegelt daherkommen, ist diese Darstellung wohl realistischer. Er verkörpert Arminius ohne übertriebenes Heldengetue, dennoch hätte man sich deutlicher dargestellt gewünscht, warum er letztlich die Seiten gewechselt hat. Thusneldas Darstellerin Jeanne Goursaud ist eine angenehme Entdeckung und füllt ihre Rolle mehr als martialisch aus. Varus-Darsteller Gaetano Aronica erinnert äußerlich sehr an die Cäsar-Zeichnungen aus Asterix, überzeugt aber als Anführer der Römer, wenngleich ihm auch ein bißchen an nötiger Überheblichkeit fehlt.

Die Produktionsfirma Gaumont hat gut daran getan, die Hauptrollen nicht mit großen prominenten Namen zu besetzen, so kann man sich ganz auf die Handlung und das Setting konzentrieren. Hier hat man mit viel Fingerspitzengefühl versucht, Germanien vor 2000 Jahren nachzuempfinden. Die Kostümbildner dürften Festtage gehabt haben und haben sich mächtig anhand von überlieferten Kleidungen und Rüstungen ins Zeug gelegt. Was die Ausstattung angeht, darf man sich daher nicht beklagen. Ob die Gesichtsmalereien in der Schlacht alle authentisch sind, mag dahingestellt bleiben.

Ein paar leider deutliche Produktionsfehler

Produktionsfehler sieht man nur selten, dann aber offensichtlich. Wenn man durch die Latrine in ein Römerlager einbricht und danach sauber und nicht stinkend dem Graben entsteigt, wundert man sich schon sehr. Auch wenn blutige Hände in verschiedenen Kameraeinstellungen unterschiedlich intensiv und an anderen Stellen blutig sind, wurde nicht gut gearbeitet. An einigen (zugegeben: wenigen) Stellen sind einige Anschlüsse nicht ganz klar, hier fehlt eine logische Anbindung an den vorherigen Handlungsstrang.

„Barbaren“ wurde im Vorfeld angekündigt als das „Deutsche „Vikings““ und direkt mit Serien wie „Game of Thrones“ oder „The Last Kingdom“ verglichen. Das sind natürlich ordentliche Vorschußlorbeeren, die einer Produktion nicht unbedingt guttun. Und sie sind nicht gerechtfertigt, da gerade „Game of Thrones“ und „The Last Kingdom“ auf Romanvorlagen beruhen und somit nicht vergleichbar sind, wenn man eine historische Serie über ein tatsächliches Ereignis präsentiert. Natürlich muss man Abstriche machen gegenüber den eigentlichen Umständen, die komplizierter waren und sich nicht viereinhalb Stunden darstellen lassen. Die Vorgeschichte, drei Tage Schlachtgetümmel und die Nachwirkungen sind viel Inhalt mit wenig Zeit, wenn man keine Dokumentation, sondern einen spannenden Mehrteiler drehen will. Und so brutal wie „Vikings“ sind die „Barbaren“ dann doch nicht dargestellt.

Dünne historische Quellen als Vorlage

Blut spritzt reichlich, die Produktion scheut keine Details. Irritierend ist auf jeden Fall das Sprachgewirr aus Deutsch und Latein, dem man immerhin mit Untertiteln beikommt. Nie dürfte Latein so flüssig gesprochen worden sein wie hier, und jeder Schüler wird seine Lateinstunden nicht mehr wiedererkennen. Dennoch ist es der Versuch der Authentizität. Da man es meist gewohnt ist, synchronisierte Münder zu sehen (wenn man nicht originalsprachliche Varianten bevorzugt), ist es hier ungewohnt, deutschsprechende Münder zu sehen, aber auch das ist Authentizität.

Was die historische Korrektheit des Geschehens angeht, kann man nur darauf verweisen, dass die Quellenlage dünn ist und man nicht wirklich sagen kann, ob es nun wirklich oder falsch ist. Es gibt wenige verlässliche Quellen, und die nur aus römischer Sicht, daher ist hier ein möglicher Ablauf skizziert, von dem niemand verlässlich behaupten kann, dass es nicht so gewesen ist. Dennoch hätte man deutlicher machen können, dass die Schlacht drei Tage dauerte, wenigstens 15.000 römische Soldaten fielen und wie die Verluste auf Seiten der Germanen waren. Ein paar Daten im Abspann wären da schön gewesen.

Fazit:

Die erste große deutsche Netflix-Produktion „Barbaren“ macht vieles richtig und wenig falsch, auch wenn es gewöhnungsbedürftig ist, Menschen Deutsch und Latein reden zu sehen und zu hören. Die Produktion schlägt sich achtbar und macht Hoffnung auf weitere gute Produktionen aus deutschen landen. Die Serie ist für geschichtsinteressierte Zuschauer gut anzuschauen, durchaus spannend, hat keine Längen und verspricht eine kurzweilige Geschichtsstunde im Teutoburger Wald. Eine zweite Staffel wurde mittlerweile angekündigt, die Geschichte von Arminius und Thusnelda und vor allem ihrem Vater ist noch nicht zu Ende erzählt. Historie, so präsentiert, macht Lust auf mehr.

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