Nachts am Askanischen Platz

  • dtv
  • Erschienen: Januar 2018
  • 1
  • dtv, 2018, Titel: 'Nachts am Arkanischen Platz', Originalausgabe
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Christina Wohlgemuth
941001

Histo-Couch Rezension vonFeb 2018

Erneut ein herausragendes Sittenportrait mit Kriminalfall

Berlin, Januar 1928. Noch blitzt die Naziherrschaft nur wie eine dunkle Vorahnung am Horizont, doch auch so ist Berlin kein leichtes Pflaster. Im Schuppen einer Schule wird die Leiche eines Unbekannten gefunden - niemand scheint zu wissen, wer er ist. Leo Wechsler steht vor einem großen Rätsel, das nicht dadurch einfacher wird, dass ihn auch private Sorgen planen. Doch er wäre nicht Leo Wechsler, würde er sich nicht mit vollem Einsatz der Aufklärung des Mordes widmen - zwischen Sensationstheater und Einwanderer-Vierteln kommt Wechsler persönlichen Dramen auf die Spur ...

Ein Krimi, der in zwei völlig verschiedenen Welten spielt

Die Krimis von Susanne Goga um den sympathischen Berliner Ermittler zeichnen sich seit ihrem ersten Band dadurch aus, dass der Leser jedes Mal aufs Neue in neue Viertel Berlins eintauchen kann und neue Brennpunkte kennenlernt. Dieses Mal widersprechen sich die beiden Welten ganz besonders, denn es geht zum einen in die Welt der Sensationstheater, in der Menschen dafür zahlen, den wohligen Schauer des Grusels zu spüren und zum anderen in die Elendsviertel, in denen russische Emigranten leben. Wie in der Weimarer Republik insgesamt und in Berlin im Besonderen treten hier wieder die krassen Gegensätze dieser Epoche zu Tage: Lebenshunger und ausgelebte Sinnlichkeit auf der einen Seite, bittere Armut, Resignation und politisches Chaos auf der anderen.

Das verbindet sich mit dem gewohnt spannenden Kriminalfall zu einem homogenen Gesamtbild, das den Leser trotz der Kürze der Geschichte voll gefangen nimmt und ihn nachdenklicher zurücklassen mag, als mancher 1000-Seiten-Wälzer.

Ein Krimi, der auch und gerade auf den Nebenschauplätzen überzeugt

Neben dem spannenden Hauptfall und den Wegen, die Leo Wechsler durch die Ermittlungen geht, überzeugt die Autorin auch dieses Mal mit den kleinen Nebengeschichten und vor allem ihren Nebenfiguren. Von den Kindern Leo Wechsler (die nicht nur mit den normalen Problemen des Erwachsenwerdens zu Kämpfen haben) bis hin zu Kriminalassistent Sonnenschein und seiner Familie (die einen Blick in das jüdische Leben jener Zeit erlauben) und dem Sportlehrer des als Tatort dienenden Gymnasiums nimmt sich die Autorin für jede Figur Zeit, und selbst kleinste Randfiguren, die nur eine Szene lang auftauchen und ein paar Sätze sagen, bekommen ein Gesicht, eine Stimme, und manchmal auch einen Auftritt, an den sich der Leser noch länger zurückerinnert.

Freude auf die Fortsetzung und Angst um die Figuren

Band 6 der Reihe spielt nun bereits 1928 - das sich abzeichnende Ende der Weimarer Republik macht dem Leser ein unbehagliches Gefühl, nicht zuletzt, weil die lieb gewonnenen Figuren diesem drohenden Unheil so unwissend und teilweise unschuldig gegenüber stehen. Im Gegensatz zu Volker Kutscher, bei dem die sterbende Republik und die politischen Grabenkämpfe im Mittelpunkt stehen, klingt die Politik hier nur leise an - doch der Leser wird das ungute Gefühl nur selten los, und die wenigen Szenen, die sich mit den anstehenden Veränderungen befassen, berühren den Leser tief. Auch das zeigt einmal mehr, wie gut die Autorin ihre Geschichten, ihre Figuren und ihr Genre beherrscht.

Und so wird mit Sicherheit der ein oder andere Leser, der auf den glücklicherweise bestätigten siebten Fall hin fiebert, sich in einem bangen Moment fragen, was aus Leo, Jakob, Georg und all den anderen werden soll, wenn die instabile Republik endgültig zu bröckeln beginnt ...

Nachts am Askanischen Platz

Susanne Goga, dtv

Nachts am Askanischen Platz

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