Als wir Schwestern waren

  • Blanvalet
  • Erschienen: Januar 2016
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  • Blanvalet, 2016, Titel: 'Als wir Schwestern waren', Originalausgabe
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Eva Schuster
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Histo-Couch Rezension vonJan 2016

Solide und gefühlvolle Unterhaltung vor dem Hintergrund der Weltkriege

Hamburg, 1916: Die Schwestern Elisabeth und Viviane Berentsch wachsen wohlbehütet in einer großbürgerlichen Familie auf. Elisabeth ist zurückhaltend und vernünftig, die jüngere Viviane dagegen ist ausnehmend hübsch, dazu offen und temperamentvoll. Trotz ihrer unterschiedlichen Charaktere stehen sich die Schwestern sehr nah und halten zusammen 

Viviane liebt Pferde und schleicht sich oft auf das Nachbargestüt. Dort trifft sie auf den französischen Kunstreiter Philippe, dessen Zirkus gerade in Hamburg gastiert. Sie teilen die Liebe zu den Pferden, und Viviane trifft sich immer öfter heimlich mit dem Franzosen.

Ihre Eltern ahnen nichts von diesen Treffen und wollen Viviane schnell an einen der wenigen verbliebenen Junggesellen aus gutem Haus verheiraten, die nicht im Krieg sind. Daraufhin brennt Viviane kurzerhand mit Philippe und dem Zirkus durch. Jahre später lebt Elisabeth in einer kinderlosen Zweckehe. Eines Tages findet sie ein neugeborenes Mädchen vor ihrer Tür, das alles verändert ...

Schwesternliebe im Ersten Weltkrieg

Das Verhältnis zweier Schwestern, eine brisante Liebe, der Erste und der Zweite Weltkrieg sind die zentralen Elemente in Marie Jansens gefühlvollem Roman Als wir Schwestern waren.

Zu Beginn bleiben Elisabeth und Viviane weitgehend von den Auswirkungen des Krieges verschont. Ihr Vater muss aufgrund guter Beziehungen nicht an die Front, Brüder haben sie keine, das Handelshaus bringt noch genug Geld ein, um den luxuriösen Lebensstil aufrechtzuerhalten. Dennoch erleben die Schwestern in ihrer Umgebung die steigende Armut mit. Es wird immer schwieriger, gute Lebensmittel zu erhalten, immer mehr Familien verlieren ihre Väter, Ehemänner, Söhne und Brüder an der Front. Elisabeth und Viviane können dennoch zunächst unbeschwert leben, bis die Heiratspläne der Eltern alles verändern. Nicht nur, dass Viviane mit einem Zirkusreiter einen gänzlich unstandesgemäßen Mann liebt, er ist auch noch Franzose, und gilt daher als Feind.

Es ist spannend zu verfolgen, wie sich die Liebe zwischen Viviane und Philippe entwickelt. Im Zentrum stehen die Fragen, ob Philippe aufgrund seiner Herkunft festgenommen wird, wie gut sich der Zirkus in dieser schweren Zeit durchschlagen kann und was das Schicksal für Viviane bereithält. Interessant ist aber auch der Strang um Elisabeth in Hamburg, die schließlich eine Vernunftehe eingeht, um das Handelshaus zu retten. Einerseits möchte man erfahren, wie es langfristig um diese Ehe bestellt ist, ob Elisabeth vielleicht doch Glück darin findet; andererseits sind da die Fragen, wie das weitere Leben des Babys verläuft, ob es seine wahre Herkunft erfährt und ob sich die Schwestern jemals wiedersehen.

Gelungene Protagonistinnen

Elisabeth und Viviane sind zwei gelungene Frauengestalten; zwar keine unvergesslichen Romanfiguren, aber man nimmt doch deutlich Anteil an ihrem Schicksal. Elisabeth ist die Erstgeborene, und eigentlich sollte sie demnach die erste Schwester sein, die Heiratspläne schmiedet. Doch seit einer schweren Pockeninfektion als Kind ist ihr Gesicht unansehnlich vernarbt. Elisabeth ist zwar klug und vernünftig, aber aufgrund ihres Äußeren auch scheu. Sie hat sich früh darauf vorbereitet, möglicherweise als alte Jungfer zu enden; Viviane dagegen wird von jungen Männern umschwärmt, ist lebenslustig und selbstbewusst. Dennoch ist sie nicht arrogant, sondern ein liebenswerter Charakter. Und Elisabeth wiederum neidet ihrer Schwester nicht ihr hübsches Aussehen, obgleich es ihr natürlich einen kleinen Stich versetzt, dass Viviane in die Gesellschaft eingeführt wird, was ihr verwehrt blieb.

Der Leser fühlt mit beiden Schwestern gleichermaßen: mit der zurückgelassenen Elisabeth, die um Viviane bangt und jeder neuen Nachricht entgegenfiebert, und mit Viviane, die mit dem Wanderzirkus und ihrem geliebten Philippe reist und manche gefährliche Situation durchstehen muss. Gut nachvollziehbar ist vor allem, dass Elisabeth nach der anfänglichen Sorge auch Wut auf Viviane empfindet. Schließlich muss Elisabeth jetzt allein mit der strengen Mutter und dem kranken Vater leben, sie fühlt sich mehr und mehr von Viviane im Stich gelassen.

Etwas ausufernde Gegenwartshandlung

Nicht ganz so überzeugend ist dagegen der Strang, der in der Gegenwart spielt. Dort ersteigert die Berliner Auktionsagentin Simone im Auftrag eines anonymen Kunden mehrere Koffer, in denen sie Zirkusutensilien, Briefe und Tagebücher entdeckt. Aus den Briefen und Tagebucheinträgen erfährt sie Elisabeths und Vivianes Geschichte und macht sich nach Frankreich auf, um eine mögliche Nachfahrin ausfindig zu machen. Es hat zwar seinen Reiz, dass man durch diese Rahmenhandlung erfährt, was aus Elisabeths und Vivianes Nachkommen geworden ist. Auch ist Simone keine uninteressante Figur, zumal sie gerade in einer beruflichen und privaten Umbruchphase steckt. Aber der Gegenwartsstrang nimmt zu viel Platz ein, lenkt zu sehr von den Ereignissen in Elisabeths und Vivianes jungen Jahren ab. Des Weiteren ist es schade, dass so viele Jahre im Leben der Schwestern quasi übersprungen und nur sehr gerafft wiedergegeben werden.

Zudem wirkt es nicht sehr realistisch, dass Simone, Umbruchphase hin oder her, einfach auf gut Glück nach Frankreich fliegt, ohne dort erwartet zu werden, ohne eine Unterkunft zu buchen, mit geringen Sprachkenntnissen und in klammer finanzieller Situation. Schwer zu glauben, dass Tagebucheinträge und Briefe so viel Faszination auslösen, um Hals über Kopf eine solche Reise anzutreten.

Insgesamt ist Als wir Schwestern waren ein unterhaltsamer und teils recht bewegender Roman, bei dem vor allem der Handlungsstrang im Ersten Weltkrieg überzeugt. 

Als wir Schwestern waren

Marie Jansen, Blanvalet

Als wir Schwestern waren

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