Das Salz der Erde

  • Goldmann
  • Erschienen: Januar 2013
  • 22
  • Goldmann, 2013, Titel: 'Das Salz der Erde', Originalausgabe
Das Salz der Erde
Das Salz der Erde
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Dirk Jaehner
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Histo-Couch Rezension vonJun 2013

Eine gelungene Familiensaga aus dem 12. Jahrhundert

Kurzgefasst:

Herzogtum Oberlothringen, 1187. Nach dem Tod seines Vaters übernimmt der junge Salzhändler Michel de Fleury das Geschäft der Familie. Doch seine Heimatstadt Varennes leidet unter einem korrupten Bischof und einem grausamen Ritter, der die Handelswege kontrolliert - es regieren Armut und Willkür. Als Michel beschließt, Varennes nach dem Vorbild Mailands in die Freiheit zu führen, steht ihm ein schwerer Kampf bevor. Seine Feinde lassen nichts unversucht, ihn zu vernichten. Nicht einmal vor Mord schrecken sie zurück. Und schließlich gerät sogar seine Liebe zur schönen Isabelle in Gefahr ...

 

"Ihr seid das Salz der Erde" sagt Jesus in der Bergpredigt zu seinen Jüngern und will sie damit einstimmen auf die Wichtigkeit ihrer Aufgabe, nämlich das Wort Gottes auf Erden zu verbreiten. Salz hat schon immer eine große Bedeutung für Menschen. Es ist die Lebensgrundlage und sowohl zu biblischen Zeiten als auch im Mittelalter wichtig, rar und teuer. In Daniel Wolfs Roman Das Salz der Erde dreht sich alles um das kostbare Mineral - oder fast alles.

Aufstieg und Fall

Ende des 12. Jahrhunderts, in der - fiktiven - Stadt Varennes-Saint-Jacques, irgendwo in Oberlothringen. Michel de Fleury ist der Sohn eines geflohenen Leibeigenen. Trotzdem beginnt er eine Lehre bei einem Kaufmann und bringt es zu dessen Vertreter in Mailand. Dort lernt er die Macht der Kaufleute kennen und träumt davon, dieselben Freiheiten auch in seiner Heimatstadt zu installieren. Als er wegen des Todes seines Vaters zurückkehren muss, sieht er die Gelegenheit, seine Träume wahr zu machen. Doch seine Ideen sind den alteingesessenen Kaufleuten, dem regierenden Bischof und einigen anderen einflussreichen Adligen zu fortschrittlich.

Mit jugendlichem Elan geht Michel die Aufgaben an. Er führt sein Handelshaus erfolgreich, wird sogar in einem ersten Schritt der Auflehnung gegen die korrupte Obrigkeit zum Vorsitzenden der Gilde gewählt. Doch so schnell wie er an die Spitze der städtischen Gesellschaft gerät, so schnell stürzt er auch wieder ab. Er hat die Macht seiner Gegner sträflich unterschätzt. Und die Stabilität der Verbindung zu seinem Jugendfreund Gaspard. Als sich Michel in dessen Schwester Isabelle verliebt, geht diese Freundschaft zu Bruch und Michel hat einen weiteren Feind.

Gesellschaftliche Mechanismen

Daniel Wolf erzählt in weitem Bogen die Lebensgeschichte des Michel de Fleury, seinen Aufstieg aus der Gosse bis zum erfolgreichen Händler und Vorsitzendem der Gilde, seinen tiefen Fall in die Bedeutungslosigkeit und seinen mühsamen Weg zurück, zunächst in die Stadtgesellschaft von Varennes, später dann auch an die Spitze der Gilde. Wolfs Bild der Gesellschaft zeigt sehr detailliert die Abhängigkeiten der einfachen Menschen von Geistlichen und Adligen, die Zusammenhänge in einer Gemeinde und die Verteilung der Verantwortungen. Jedes Gemeindemitglied hat seinen Platz in der Gesellschaft und diese duldet es nicht, wenn dieser Platz verlassen werden soll. Das funktionierte mit Michels Vater, weil er sich auf das Recht berufen konnte, dass ein entlaufener Leibeigener seine Freiheit erlangen würde, wenn er ein Jahr und einen Tag unbehelligt in Varennes leben konnte.

Auch daher hat Michel als Gildenvorsteher große Schwierigkeiten, seine Ideen durchzusetzen. Und so wird er von der herrschenden Schicht "zurechtgestutzt". Doch Bischof und Adel begnügen sich nicht damit, ihn in die zweite Reihe der Händler abzuschieben. Er wird ganz aus ihrer Mitte verbannt und mit Handelsverbot in Varennes belegt - die höchste Strafe, die ein Händler erhalten kann. Außerdem erhält er keinen Zugang mehr zur Saline, dem Ort, wo das lukrative Salz, auf das er sein Vermögen aufgebaut hat, erzeugt wird.

Parallel zur geschäftlichen Welt versucht Michel sein privates Glück zu finden. Doch seine Auserwählte soll einen anderen heiraten, er ist nicht standesgemäß als Sohn eines Freigelassenen. Also trifft er sich heimlich mit ihr und es passiert, was in solchen Situationen immer passiert: Sie wird schwanger und aus der Stadt verstoßen. Trotzdem hält Michel zu ihr und bleibt in Kontakt. Doch es dauert ein paar Jahre, bis Michel sein Leben wieder in den Griff bekommt.

Das einzig wahre Salz

Wolf erzählt Michels Geschichte flüssig und gut lesbar. Dankenswerterweise verzichtet er auf allzu viele Nebenschauplätze. Die Handlung bleibt übersichtlich, und sollte der Leser das Buch aus der Hand legen müssen - was eigentlich nur unfreiwillig geschehen kann -, findet er schnell wieder hinein. Wie in solchen umfangreichen Familiensagas üblich, muss Wolfs Protagonist in seinem Leben fast alles ertragen, was das Schicksal an Schlägen aufzubieten hat. Dabei bleibt es nicht aus, dass er gelegentlich gefährlich in Soap-Niveau gerät. Doch irgendwie weiß der Leser, dass der nette Gutmensch Michel am Ende seine Ziele erreichen wird. Die einzige Charakterschwäche - wenn man sie als solche bezeichnen möchte - ist Michels Ehrgeiz. Er opfert seinen Zielen eine lebenslange Freundschaft und zunächst die Liebe seines Lebens.

Erstaunlich an dem Roman ist jedoch, dass es, anders als im Titel versprochen, verschwindend wenig um Salz geht. Es ist zwar die Grundlage für den Reichtum Varennes und seiner Kaufleute, als Handelsware ist es aber nur eine unter vielen. Vielleicht geht es Wolf aber auch gar nicht in der Hauptsache um das Mineral. Vielleicht geht es ihm noch mehr um die Menschen, die die Welt nach ihrem Willen formen und verändern wollen. Schließlich ist das auch eine Bedeutung des Jesus-Wortes: Die Weiterentwicklung der Welt braucht immer einen Anstoß. Und wer soll ihn geben, wenn nicht ein Mensch mit Visionen.

Das Salz der Erde

Daniel Wolf, Goldmann

Das Salz der Erde

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