Die Muschelsammlerin

  • Droemer-Knaur
  • Erschienen: Januar 2010
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  • Droemer-Knaur, 2010, Titel: 'Die Muschelsammlerin', Originalausgabe
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Rita Dell'Agnese
551001

Histo-Couch Rezension vonJun 2010

Aschenputtel-Roman mit wenig Tiefgang

Kurzgefasst:

Sommer 1885: Lilly, Süßspeisenköchin in Heiligendamm, Deutschlands erstem Seebad, sitzt verzweifelt am Strand. Neben ihr liegt ein Kochbuch mit dem Titel Cuisine d'amour. Ihm verdankt sie ihre gute Stellung in einem Luxushotel. Doch sie hat einen folgenschweren Fehler gemacht, der nicht nur ihre Arbeit, sondern auch ihre Liebe in Gefahr bringen kann...

 

Das Schicksal spielt der hübschen und talentierten Süssspeisenköchin Lilly hart mit: Nicht nur, dass sie nach einem harmlosen Streich ihre Arbeit in der Strandperle verliert, sie muss auch für ihre dahinwelkende, schwerkranke Mutter sorgen, lebt bei einem gewalttätigen Onkel und einem hinterlistigen Cousin und ist erst noch in einen jungen Mann von Adel verliebt, der unerreichbar scheint und dessen Mutter alles unternimmt, um Lillys Ruf zu schädigen. Dies im Jahre 1885, also zu einer Zeit, in der wichtige Umwälzungen passieren und mancher um seine Existenz fürchten muss. Doch Lilly nimmt den Kampf gegen das Schicksal auf.

Voller Klischees

Dieser Roman bedient alle Klischees eines klassischen Liebesromans. Angesiedelt im Deutschen Ostseebad Doberan geht es in erster Linie um eine unstandesgemässe Liebe, die jedoch so fest ist, dass sie allen Intrigen und Stürmen zu trotzen scheint. Dabei verfolgt die Autorin in vielen Bereichen die Aschenputtel-Geschichte: Lilly ist so rein und tapfer, wie es ein Mädchen nur sein kann. Und damit ist sie alles andere als eine glaubwürdige Heldin. Sie bleibt farblos, manchmal ärgerlich naiv und vor allem äußerst oberflächlich. Ihre Gegenspielerinnen, Clemens´ Mutter Isa von Rastrow und die vermeintliche Freundin Helen sind so abgrundtief böse und intrigant, dass schon alleine auf dieser Ebene eine verzerrte Welt entsteht. Clemens als ambivalentes Muttersöhnchen und Ziel aller Träume von Lilly ist weit entfernt von einem Sympathieträger und Joachim von Stratten, der Lilly mit einer schon fast aufdringlichen Liebe vergöttert, erweckt den Eindruck eines traumhaften "Gutmenschen". Dieser Mischung von Protagonisten fehlt jede Würze und verkocht zu einem etwas schalen Brei.

Ernsthafte Themen

Also ein Roman, den man getrost vergessen kann? Nicht ganz. Denn die Autorin Katryn Berlinger verpackt in die seichte Geschichte etliche Stellen mit Tiefgang. Diese beziehen sich vor allem auf die Entwicklung, in der die Gesellschaft im ausgehenden 19. Jahrhundert steckt. So fürchten viele Menschen um ihr Auskommen. Werften mussten schließen, weil sie nicht mit der Zeit gingen, die Eisenbahn droht, den vielen Kutschern und Fuhrleuten die Existenz zu nehmen. Es kommt zu Protesten - aber auch zum Umdenken vor allem jüngerer Leute. Sie beginnen die Chance zu ahnen, die ihnen durch die Entwicklung geboten wird. Gleichzeitig setzt aber der langsame Untergang des Adels ein. Fast noch unmerklich, dennoch unaufhaltsam, sinkt der Stern der adeligen Leute, die Gesellschaft wird reif für mündige Bürgerinnen und Bürger. Wer zwischen den Zeilen liest und die seichte Liebeständelei beiseite schiebt, wird in Die Muschelsammlerin also durchaus Passagen finden, die einiges zu bieten haben.

Unspektakuläre Sprache

Leider zieht sich Die Muschelsammlerin auch sprachlich nicht aus der Affäre. Nett geschrieben, aber ohne Spannungsbogen und sprachliche Feinheiten plätschert der Roman vor sich hin und Lilly zieht ihre Kurven wie eine Schlittschuhläuferin auf einer riesigen Eisfläche. Sie gleitet ruhig dahin, zwar immer wieder von bösen Entwicklungen gebeutelt, aber weder aufgeregt noch aufregend. So ist der Einstieg in den Roman die stärkste Passage, die aber leider schnell abflacht.

Die Muschelsammlerin dürfte wirklich nur jene Leserinnen ansprechen, die auf der Suche nach einem Liebesroman sind, der ohne Ecken und Kanten daher kommt und alle klassischen Anforderungen bedient. Liebhaber von historischen Romanen mit Tiefgang werden mit diesem Roman weniger gut bedient sein.

 

Die Muschelsammlerin

Katryn Berlinger, Droemer-Knaur

Die Muschelsammlerin

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