Die Herrin der Gaukler

  • Rütten und Loening
  • Erschienen: Januar 2005
  • 2
  • Rütten und Loening, 2005, Titel: 'Die Herrin der Gaukler', Originalausgabe
Die Herrin der Gaukler
Die Herrin der Gaukler
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Rita Dell'Agnese
871001

Histo-Couch Rezension vonJan 2008

Eine Frau sucht Rache und findet Freundschaft.

Hilflos muss die junge Waldenserin mit ansehen, wie ihr Dorf von einer Horde Soldaten überfallen und dem Erdboden gleich gemacht wird. Auf ihrer Flucht vor den Schergen von Jean Maynier Baron d’Oppède gerät sie in die Hände des Barons selbst, der Gefallen an der rothaarigen Schönheit findet. Er schändet sie und lässt sie scheinbar tot auf dem Waldboden liegen. Doch Jeanne überlebt und schwört Rache. Nachdem sie erkennen muss, dass sie als Waldenserin überall als Ketzerin gilt und ihres Lebens nicht mehr sicher ist, schließt sie sich einem Trupp Gaukler an, der von Tantris, einem Spaßmacher und Jongleur, geleitet wird.

Tantris, einstiger Edelmann, ließ sich von Charles, dem illegitimen Sohn d’Oppèdes und von Raymond, der unsterblich in d’Oppèdes Mündel Diane verliebt ist, aber als Bräutigam vom Vormund abgewiesen wurde, anheuern, um Diane aus dem Klauen d’Oppèdes zu befreien. Nicht ahnend, dass Charles ein doppeltes Spiel spielt und die Flucht Dianes den Tod von ihr und den ihrer Helfer bringen soll, schmiedet Tantris Pläne und führt seine Truppe gegen deren Willen zu d’Oppède. Doch nicht nur der dunkle Baron und sein illegitimer Sohn machen den Gauklern das Leben schwer, auch die Pest, die in der Provence wütet, ist ihnen immer wieder auf den Fersen und fordert ihre Opfer.

Irreführender Titel

Wer im Glauben ";wieder einmal eine Super-Heldinnen-Geschichte"; das Buch ";Die Herrin der Gaukler"; beiseite legt, tut dem Werk unrecht. Denn der Titel ist schlicht und einfach irreführend. Zwar nimmt Jeanne eine wichtige Rolle in der Geschichte ein, doch zu keinem Zeitpunkt erscheint sie als Überheldin oder verfügt gar über übernatürliche Kräfte. Sophia Palmer beschreibt Jeanne als ein unglückliches Mädchen, das von seinem Hass und Rachedurst getrieben sein Ziel verfolgt, d’Oppède zu vernichten.

Bis zu dem Zeitpunkt, in dem sie in Tantris einen Leidensgefährten erkennt, ohne ihm sein Geheimnis entlocken zu können. Ihre Liebe wird von Tantris allerdings zunächst nicht erwidert. Denn der einstige Edelmann sieht in Jeanne das Mädchen der Straße und kann sich nicht vorstellen, nach seiner Rückkehr in die Kreise des Adels ein Mädchen niederer Herkunft zu ehelichen.

Liebevoll gezeichnete Charaktere

Auch wenn es vornehmlich um Jeannes und Tantris' Schicksal geht, so spielen die übrigen Mitglieder des Gauklertrupps ebenfalls eine wichtige Rolle. Die Autorin hat jede einzelne Figur mit liebenswerten und weniger positiven Eigenschaften ausgestattet, sodass eine Gruppe von Menschen mit Ecken und Kanten auf Gedeih und Verderb aneinander gebunden scheint. Oft liegt die Sympathie des Lesers näher bei der Gruppe denn beim Anführer Tantris, der zu offensichtlich seine eigenen Interessen verfolgt und dafür auch den Untergang der Truppe in Kauf nimmt. Auf diese Weise verhindert Sophia Palmer, dass sich ihre Protagonisten zu Super-Helden mausern und im Laufe der Geschichte verschafft sie jedem einzelnen Mitglied einen ";Solo-Auftritt";,  der die entsprechende Person in ein ganz neues Licht rückt.

Sehr gut aufgefangen hat Sophia Palmer auch die verschiedenen Aspekte des 16. Jahrhunderts in der Provence. Sie beschreibt die Auswüchse des Irrglaubens, lässt Selbstgeißelungen und klerikale Verfehlungen ebenso Raum einnehmen, wie die verschiedensten Krankheiten. Vom Eiterzahn über Blutvergiftung bis hin zur immer wieder wütenden Pest erklärt sie schnörkellos, woran die Bevölkerung zu jener Zeit gelitten hat und mit welch unglaublichen Mitteln teilweise versucht wurde, den Schwarzen Tod einzudämmen. Wer sich für die Entstehung der Pest-Epidemien interessiert, wird in den scheinbar nebensächlichen Schilderungen der Autorin Ursachen und Verbreitung erkennen. Gleichzeitig lässt die gradlinige Darstellung oft ein beklemmendes Gefühl der Ohnmacht aufkommen.

Eingängige Sprache

Die Autorin bedient sich einer eingängigen Sprache – der allerdings da und dort die Feinheiten fehlen - und zieht schon mit ihrem beschwingten Einstieg in die Geschichte hinein. Sophia Palmer hat einen Aufbau mit mehreren Höhepunkten gewählt und lässt den Leser zwischendurch immer wieder aufatmen, ohne jedoch das Erzähltempo merklich zu drosseln. Unglücklich gewählt ist neben dem Titel und dem Kurzbeschrieb im Inneren des Buches allerdings das Format des Taschenbuches. Der Aufbau Verlag hat sich vom gängigen Format entfernt, ohne jedoch für die Leser damit einen Gewinn zu verbinden. So lässt sich das Buch nicht komfortabel handeln, weder der durch das Format bedingte Seitenumfang noch die geringe Breite des Buches sind praktisch. Bei einer Neuauflage sollte das Buchformat neu überdacht werden.

";Die Herrin der Gaukler"; ist spannend zu lesen und erzählt eine Geschichte, die nicht den Eindruck erweckt, sie schon tausendmal in einer ähnlichen Form gehört oder gelesen zu haben. Es ist alles dabei, was einen spannenden Roman ausmacht und auch die Historie kommt nicht zu kurz. Erzählt wird, wie jemand, der Rache sucht, Freundschaft findet. Und dies gleich auf verschiedenen Wegen.

Die Herrin der Gaukler

Sophia Palmer, Rütten und Loening

Die Herrin der Gaukler

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