Das Haus in der Nebelgasse

  • Diana
  • Erschienen: Januar 2017
  • 5
  • Diana, 2017, Titel: 'Das Haus in der Nebelgasse', Originalausgabe
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Yvonne Schulze
701001

Histo-Couch Rezension vonJan 2017

Ein Hobbydetektivin auf Schnitzeljagd durch London

London im Jahr 1900. Hier unterrichtet die junge Lehrerin Matilda Gray an einer renommierten  Mädchenschule. Matilda führt ein für diese Zeit relativ unabhängiges Leben, ihre Eltern sind gestorben und ihr Bruder Harry kämpft als Soldat im Burenkrieg in Südafrika. Matilda, eine fortschrittlich denkende junge Frau, ermutigt auch ihre Schülerinnen zu eigenständigem Denken und Handeln, was aber der Philosophie des Mädcheninstituts zuwiderläuft, denn hier wird in erster Linie Wert darauf gelegt, die Mädchen zu guten Ehefrauen zu erziehen. Doch die Zeiten ändern sich, Bildung ist nicht länger ein Privileg der Männer und Frauen kämpfen für das Recht auf ein selbstbestimmtes Leben. So scheut sich  Matilda auch nicht, in ihrem Unterricht gerne einmal unkonventionelle Wege zu gehen.  

Eine Schülerin liegt ihr besonders am Herzen, die intelligente und strebsame Waise Laura. Als Laura nach den Ferien nicht mehr in der Schule erscheint, ist Matilda zunächst enttäuscht, bis sie von Laura eine Postkarte mit einer versteckten Botschaft bekommt, die sie zu einem geheimnisvollen Kästchen führt, das Laura in der Schule versteckt hat und in dem sich unter anderem auch ein altes, kaum noch lesbares Tagebuch befindet. Matilda, die vermutet, dass Laura in Schwierigkeiten steckt, steht plötzlich vor einem Berg an Fragen, denn sie glaubt, dass Lauras Verschwinden etwas mit diesem Kästchen und seinem Inhalt zu tun hat. Ihre Suche nach Laura wird zugleich eine Schnitzeljagd durch die Stadtgeschichte Londons.

Doch bevor es soweit ist, führt der Prolog den Leser zurück in das Jahr 1665. Während in London die Pest wütet, versteckt die Kaufmannstochter Katie Cleland im Keller ihres Elternhauses eben jenes Kästchen, das Matilda Jahrhunderte später in der Hand hält. Warum Katie das tut und was es mit dem Inhalt des Kästchens auf sich hat, wird sich erst im Laufe der Geschichte nach und nach erklären.

Victoria Holt lässt grüßen

Susanne Gogas Roman Das Haus in der Nebelgasse ist eine Detektivgeschichte, die an die Romantik-Thriller von Victoria Holt erinnert. Die Inspiration zu diesem Roman bekam die Autorin aus Peter Ackroyds Büchern zur Stadtgeschichte Londons und so liegt es natürlich nahe, dass auch viele interessante Details Einzug in die Handlung finden. Die architektonische Geschichte Londons spielt für die Auflösung des Falles zwar eine große Rolle, diese Ausflüge in die Historie der Stadt sind aber wohldosiert und dominieren die  Handlung nicht, die fiktive Detektivgeschichte spielt die Hauptrolle und nimmt den Großteil der Erzählung ein.

Matilda ist als Protagonistin eindeutig die Sympathieträgerin. Sie ist eine kluge und mutige Frau, an deren Fersen man sich gerne heftet, um sie bei ihren Nachforschungen zu begleiten. Dass Lauras vermeintlicher Sinneswandel und die zwielichtige Rolle, die Lauras Vormund dabei spielt, letztendlich etwas mit diesem Kästchen zu tun haben und die Gründe weit in der Vergangenheit zu suchen sind, wird schnell klar und so sieht sich Matilda auch vor der Herausforderung, die Herkunft dieses Kästchens zu erkunden und das Tagebuch zu entschlüsseln. Nach und nach kristallisieren sich die Zusammenhänge zwischen Gegenwart und Vergangenheit heraus. Unterstützung erhält Matilda hierbei vom ebenso sympathischen Professor Stephen Fleming und die Liebesgeschichte zwischen den beiden ist damit vorprogrammiert. Diese spielt sich aber dezent im Hintergrund ab, hält sich mit übertriebenen Emotionen zurück und bleibt erfreulich kitschfrei, auch wenn die Autorin hin und wieder in die Klischeefalle tappt, denn sowohl Matilda als auch Stephen haben augenscheinlich kaum negative Seiten. Die Nebencharaktere sind relativ konturlos und werden zumeist in die Schubladen Gut und Böse einsortiert. Damit schleicht sich natürlich eine gewisse Vorhersehbarkeit in die Geschichte. Lediglich die unkonventionelle Mrs. Westlake, Matildas Vermieterin und mütterliche Freundin, die als Groschenromanautorin ihren Lebensunterhalt verdient und mit ihrer unverblümten, direkten Art für Humor sorgt, ist ein wirkliches Unikum. 

Nur bedingt ein historischer Roman

Das Haus in der Nebelgasse ist weniger ein historischer Roman, sondern ein charmanter Schmöker mit einer sympathischen Heldin vor der Kulisse Londons im ausklingenden viktorianischen Zeitalter, was dem Roman eine besondere Atmosphäre verleiht. Eine Lektüre, die Spaß macht und gut unterhält, wenn man historisierende Unterhaltungsromane mag. Die Handlung braucht anfangs etwas, um in die Gänge zu kommen, gerade zu Beginn tritt sie oft auf der Stelle oder dreht sich im Kreis, doch je weiter die Geschichte fortschreitet, umso mehr zieht das Tempo an und die Spannung steigt, doch bevor sich die Geschehnisse zum Ende hin zu überschlagen drohen, mündet die Handlung in ein abruptes Ende. Die Auflösung der Geschichte, bei der Mr. Zufall mehr als einmal helfend mit eingreift, ist dürftig und wenig glaubhaft. Hier hätte man sich etwas mehr Einfallsreichtum gewünscht.  

Und was ist eigentlich mit der jungen Katie Cleland aus dem Prolog geschehen? Ihre Geschichte erschließt sich natürlich durch Matildas Nachforschungen, aber am Ende des Buches kommt Katie selbst noch einmal zu Wort und damit schließt sich der Kreis. 

Das Haus in der Nebelgasse

Susanne Goga, Diana

Das Haus in der Nebelgasse

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