Winterhonig

  • Droemer-Knaur
  • Erschienen: Januar 2016
  • 5
  • Droemer-Knaur, 2016, Titel: 'Winterhonig', Originalausgabe
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Yvonne Schulze
701001

Histo-Couch Rezension vonApr 2016

Romeo und Julia im Paderborner Land

In den 30er Jahren wächst im Paderborner Land Mathilda als jüngstes Kind einer bäuerlichen Großfamilie auf. Mathilda, die gerade mal acht Jahre alt ist als ihre Mutter stirbt, leidet unter der lieblosen und streng katholischen Erziehung ihre älteren Schwestern. Der Vater ist mit dem Hof und der Erziehung seiner Kinder völlig überfordert, das Leben der Bauern ist hart und entbehrungsreich. Lediglich Karl, der als Pferdeknecht auf dem gräflichen Gestüt lebt, kümmert sich um die kleine Mathilda. Eine Freundschaft, aus der irgendwann Liebe wird. Doch Karl umgibt ein großes Geheimnis. Mit dem Ausbruch des Zweiten Weltkrieges müssen die Männer an die Front und die Frauen stehen mit der schweren Arbeit auf den Bauernhöfen alleine da. Auch Karl wird eingezogen und die beiden Liebenden halten in den nächsten Jahren über Feldpostbriefe Kontakt.  

Die Jugendbuchautorin Daniela Ohms betritt mit Winterhonig die Leserwelt der Erwachsenen. Inspiriert zu dieser Geschichte wurde sie durch die Aufzeichnungen ihrer Großmutter. Offensichtlich war das Leben ihrer Großmutter aber nicht ereignisreich genug, um einen ganzen Roman zu füllen, weshalb die Autorin, wie sie in ihrem Nachwort einräumt, die Geschichte ihrer Großmutter quasi neu erfindet und ihr mit Karl eine fiktive Figur zur Seite stellt. Die fiktive Mathilda hat also mit der Großmutter der Autorin nicht mehr viel gemein. Angesichts dieser Tatsache verwundert es dann aber, dass die Autorin nicht auch Mathildas Alter korrigiert und sie ein paar Jahre älter macht. Dann hätte die Tatsache, dass sich Karl unsterblich in ein vierzehnjähriges Mädchen verliebt und Mathilda über weite Strecken dieses Liebesromans gerade mal 16 Jahre alt ist, nicht diesen faden Beigeschmack.  

Das große Geheimnis um Karls Herkunft wird jeder aufmerksame Leser schnell durchschauen, was hier aber nicht unbedingt ein Nachteil ist, denn so lassen sich manche Handlungen und Sichtweisen Karls besser einordnen. Karl ist die mit Abstand stärkste Figur in diesem Roman und hier ist der Autorin im Gegensatz zu allen anderen Charakteren auch eine tiefgehende Figurenzeichnung gelungen. Bei Mathilda dagegen folgt die Autorin den einschlägigen Mustern der Liebesromanbranche, denn sie zeichnet Mathilda als eine jener genretypischen Heldinnen, denen mühelos alles gelingt. Sie dichtet dem sechszehnjährigen Landmädel Fähigkeiten an, die wenig glaubwürdig sind.  

Historischer Liebesroman

Jeder Leser, der dieses Buch zur Hand nimmt, muss sich also von Anfang an darüber im Klaren sein, dass er es hier mit einem historischen Liebesroman zu tun bekommt. Durch die den Großteil der Handlung dominierende Liebesgeschichte kommen besonders Fans dieses Genres auf ihre Kosten. Durchaus ansprechend erzählt, bietet der Roman jede Menge Gelegenheit zum Mitfiebern, Mitleiden und Mittrauern. Jedoch sollte der Leser auch ein Faible für pilchereske Herz-Schmerz-Prosa haben, in die die Autorin immer dann verfällt, wenn die Liebesgeschichte zwischen Karl und Mathilda die Hauptrolle übernimmt.

Die stärksten Passagen dieses Romans sind zweifellos diejenigen, in denen die Autorin die Geschichte aus Karls Perspektive erzählt und die von seinen Erlebnissen als Soldat des Boeselager`schen Reitertrupps getragen werden. Dass die Autorin hier eingehend recherchiert hat, ist nicht von der Hand zu weisen und vieles davon findet auch Einzug in Karls Geschichte. Im Gegensatz zur die Handlung dominierenden Liebesgeschichte, sind es gerade diese Passagen, die einen realistischeren Blick auf diese Zeit werfen und den Roman davor bewahren, völlig in die Liebesromanecke abzudriften.

Wenig Historie

Der historisch interessierte Leser geht bei Winterhonig dagegen nahezu leer aus. So zeichnet die Autorin zum Beispiel ein ziemlich verklärtes Bild des Landlebens jener Zeit. Hier wäre es sicher von Vorteil gewesen, sich nicht nur auf die Erinnerungen der Großmutter zu verlassen, sondern Zeitzeugen zu befragen, die bereits vor dem Ersten Weltkrieg geboren wurden. Denn wer von den Lesern das Glück hatte, in einer ländlichen Großfamilie mit Großeltern aufzuwachsen, die während des Zweiten Weltkrieges Erwachsene waren, wird sehr schnell feststellen, dass der Blick der Autorin auf das Landleben jener Zeit ein ziemlich weichgezeichneter ist. Die Probleme der Landbevölkerung blitzen zwar hier und da durch, sie werden aber lediglich pauschal angerissen und kommen kaum zum Tragen. Als Beispiel sei hier nur das Thema Fremdarbeiter genannt. Die Vorschriften seitens der Nationalsozialisten waren hier sehr streng und jeder Fehltritt zog hohe Strafen nach sich. Deshalb wäre es unmöglich gewesen, dass sich die Gräfin bei den ihr zugeteilten Fremdarbeitern ungestraft über alle Vorschriften hinwegsetzt, hätte die Flucht eines Fremdarbeiters furchtbare Strafen für den Bauern nach sich gezogen, ganz zu schweigen für die Bauerntochter, die von einem Fremdarbeiter ein Kind erwartet. Im Roman bleiben diese Vorfälle ohne jede Konsequenz und verlaufen im Sand. Die Agrarpolitik der Nationalsozialisten sowie die durch den Vormarsch der Russen stetig zunehmenden Flüchtlingsströme aus den Ostgebieten, mit denen gerade die Landbevölkerung zu kämpfen hatte, werden hier überhaupt nicht erwähnt.

Winterhonig reiht sich ein in die Riege der historischen Romane, die einer Liebesgeschichte viel Raum geben und in die Zeitgeschichtliches nur in homöopathischen Dosen einstreut wird. Fans historischer Liebesromane dürfen bei diesem Buch also bedenkenlos zugreifen.   

Winterhonig

Daniela Ohms, Droemer-Knaur

Winterhonig

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