Winterpilger

  • Lübbe
  • Erschienen: Januar 2016
  • 5
  • Lübbe, 2014, Titel: 'Kingmaker: Winter Pilgrims', Originalausgabe
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Annette Gloser
921001

Histo-Couch Rezension vonFeb 2016

Rosenkriege von unten

Im Jahr 1460 werfen die unheilvollen Rosenkriege bereits ihre ersten Schatten über England. Besonders die einfachen Menschen haben unter Willkür und Gesetzlosigkeit zu leiden. Doch davon spürt man im Kloster St.Mary in Haverhurst zunächst wenig. Unversehens jedoch gerät der Mönch Thomas, der bisher ein friedliches Leben als Buchmaler in diesem Kloster führte, in einen Strudel aus Gewalt, der ihn und die Nonne Katherine aus dem benachbarten Frauenkloster aus der sicheren Enge des bisherigen Lebens hinausspült in die Welt. Verfolgt von dem skrupellosen Adeligen Giles Riven müssen Thomas und Katherine sich nun ein neues Leben aufbauen, müssen lernen, andere Menschen zu täuschen, ihre eigenen Geheimnisse zu wahren und ihren Lebensunterhalt zu verdienen. Sie werden Gefolgsleute von Sir John Fakenham, der dem Herzog von York verpflichtet ist. Aber Fakenham ist ein kleiner Landedelmann, der seinem König dienen will und nun hin und her gerissen ist zwischen den Machtansprüchen des Herzogs und seiner eigenen Königstreue. Thomas wird ein erfolgreicher Bogenschütze, der in vielen Kämpfen seinen Mann stehen muss. Katherine dagegen ist gezwungen, sich als Junge zu verkleiden. Zum Kämpfen ist sie zu klein und zart, aber sie ist Knappe und Diener zugleich, erlebt gemeinsam mit Sir John und seinen Leuten die ersten Schlachten der Rosenkriege und teilt das harte Leben der Soldaten. Und Katherine ist eine begabte Heilerin, was sie in diesen kriegerischen Zeitläuften umso nützlicher macht.

Thomas jedoch sinnt auf Rache an Giles Riven. Er weiß: Solange Riven lebt, wird dieser ihn, Thomas, verfolgen und irgendwann töten. Nur wenn Thomas ihm zuvor kommt, haben er und Katherine eine Überlebenschance.

Kein Krieg der kleinen Leute

Die Geschichte der Rosenkriege ist schon so oft erzählt worden, da mag man denken, dass es kaum noch etwas Interessantes zu berichten gibt. Toby Clements gehört jedoch zu jenen Autoren, die ihren Lesern den Eindruck vermitteln, hier etwas völlig Neues zu lesen. Seine Perspektive ist die der ganz kleinen Leute, der Blick aus dem Dreck hinauf auf die Welt der Großen und Mächtigen, die nie groß genug, nie mächtig genug sein können. Zwar reizt auch Clements diverse Klischees weidlich aus, die gerade in den historischen Romanen gerne den Plot etwas aufpeppen sollen (Hosenrolle, Heilerin etc.), aber es ist ein glaubhaftes Szenario. So entwickelt sich z.B. Katherines Heilergabe erst nach und nach, aus der Konfrontation mit dem Elend der Verwundeten und aus dem Wunsch, dem kranken Sir John zu helfen. Dieser Roman ist kein Buch der Könige. Die Protagonisten in Winterpilger sind zumeist einfache Bogenschützen, die ihrem Herrn zur Gefolgschaft verpflichtet sind. Natürlich lassen sich kurze Begegnungen mit den großen Herren wie Warwick oder dem Herzog von York nicht vermeiden, im Wesentlichen jedoch erlebt man hier die Rosenkriege aus der Sicht derjenigen nach, die von ihren Herren in einen Krieg gezwungen wurden, den sie gar nicht wollten und der ihnen nicht viel mehr zu bieten hatte als Elend und Not.

Keine Angst vor Dreck und Blut

Toby Clements versteht es dabei, seinen Protagonisten Raum zu geben, sie sich entwickeln und wachsen zu lassen. Auch wenn der Fokus dabei auf Thomas und Katherine liegt, so werden andere Figuren im Roman ebenso lebendig dargestellt und mit keineswegs einfachen Charakteren ausgestattet. Hinzu kommen sehr ausführliche Schilderungen von Kampfszenen und Schlachten, teilweise so eindringlich erzählt, dass man als Leser fast selbst Gänsehaut bekommt. Insbesondere die Anspannung vor den großen Schlachten wir nacherlebbar. Der Autor hat dabei auch keine Angst vor Dreck und Blut. Sehr anschaulich berichtet er über Verwundungen, über das große Töten, vermittelt die aufgeladene Atmosphäre. Das dürfte manch zarter besaitetem Leser unter die Haut gehen. Und schnell versteht man, dass Krieg schon immer grausam war, auch damals, als man "nur" mit Schwertern und Äxten aufeinander losgegangen ist. Übrigens kennt Toby Clements weitaus mehr Waffen als Schwerter und Äxte. Spannend, womit und wie sich die weniger betuchten Kämpfer in damaligen Zeiten rüsteten. Viele interessante Details liefert Toby Clements auch über das Alltagsleben auf einem englischen Landgut, so dass der Roman auch dann spannend bleibt, wenn man gerade nicht in die Schlacht zieht. Mögen die ersten Seiten auch ein wenig zäh sein, sobald man den Einstieg in diesen Roman gefunden hat, fesselt die Geschichte, hat Höhen und Tiefen, bleibt aber spannend bis zur letzten Seite.

Gelungener Einstieg in die Romanreihe

Mit Winterpilger hat Toby Clements seine Leser am Haken. Dies ist ein Roman, für den man gerne auch mal ein paar Stunden Schlaf opfert. Obwohl es ein Taschenbuch ist, hat der Bastei Lübbe Verlag das Buch hochwertig ausgestattet. Das Cover hat einen Reliefdruck, der den Fingern schmeichelt, die aufklappbaren Umschlagseiten liefern Illustrationen. Eine Karte am Anfang hilft bei der Orientierung, drei Stammbäume (Neville, Lancaster und York) ebenfalls. Kurze Vorbemerkungen zu den Stammbäumen und ein (nicht zu langes) Vorwort, dazu ein Personenregister, das alles sollte auch denjenigen unter den Lesern, die sich mit den Rosenkriegen nicht so gut auskennen, einen guten Einstieg ermöglichen.

Winterpilger ist als erster Band einer Romanreihe mit dem Titel "Krieg der Rosen" angelegt. So bleibt am Ende des Romans Vieles offen. Nur gut, dass der nächste Band Königsblut bereits im November 2016 erscheint. Wer den ersten Band gelesen hat wird den nächsten sehnsüchtig erwarten. 

Winterpilger

Toby Clements, Lübbe

Winterpilger

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