Die Hure Babylon

  • Droemer-Knaur
  • Erschienen: Januar 2012
  • 11
  • Droemer-Knaur, 2012, Titel: 'Die Hure Babylon', Originalausgabe
Die Hure Babylon
Die Hure Babylon
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Daniela Loisl
901001

Histo-Couch Rezension vonNov 2012

Mittelalter unverklärt, authentisch und zum Greifen nahe

Kurzgefasst:

Südfrankreich im 12. Jahrhundert: Der junge Edelmann Arnaut ist verzweifelt, denn wieder hat seine heimliche Geliebte, die Vizegräfin Ermengarda von Narbonne, ihr Kind verloren - ein Fingerzeig des Himmels? Arnaut will Buße tun und sich dem Kreuzzug ins Heilige Land anschließen. Mit dem fränkischen Heer zieht er gen Osten und muss doch bald erkennen, dass es weniger um Erlösung als um Macht und Eitelkeit der Herrschenden geht, dass im Namen Gottes Verrat und unvorstellbare Greueltaten begangen werden. Gefährliche Abenteuer warten auf ihn, Kampf, Intrigen - und so manche Versuchung ...

 

Im letzten Buch des Autors Die Comtessa waren die beiden Protagonisten Arnaut und Ermengarda noch Jugendliche. Nun geht es weiter mit der Geschichte der beiden, die ebenso wieder in Südfrankreich im 12. Jahrhundert spielt. Aufgrund ihres unterschiedlichen Standes konnten die beiden zwar nie heiraten, sind aber schon lange ein Paar und fühlen sich tief verbunden. Ermengardas Ehemann ist fern und die Ehe, die aus rein politischen Gründen besteht, hat für Ermengarda wenig Bedeutung.

Überall rufen Vertreter der Kirche zum Kreuzzug auf, bei Ermengarda finden diese jedoch keine Unterstützung. Als sie von Arnaut wiederholt schwanger wird und das Kind abermals verliert, ist Arnaut sich sicher, dass Gott sie beide für ihre Sünden bestraft. Da er weiß, dass er es nicht schaffen wird, sich von Ermengarda zu trennen, wenn er sie stets in seiner Nähe weiß, beschließt er, am Kreuzzug teilzunehmen und ins Heilige Land zu reisen.

Protagonisten wurden erwachsen

Im Grunde ist dieser dritte Roman des Autors auch der dritte Band der Reihe, wenngleich jedes Buch ohne Probleme für sich selbst gelesen werden kann. Sollte einmal Wissen aus einem Vorgängerband nötig sein, so hat der Autor dieses noch einmal mit viel Geschick in die Geschichte mit eingewoben, ohne sich in lange Erklärungen zu verheddern.

Wer den zweiten Band gelesen hat, weiß, dass Schiewe Ermengarda und ihre Freunde für manchen Geschmack vielleicht etwas zu modern agieren ließ und man sich manchmal mehr in einem Jugendbuch, denn einen historischen Roman wähnte. Hier jedoch begegnet man erwachsenen Figuren, die genau wissen was sie wollen.
Ermengarda, die es gewohnt ist zu herrschen, kann nicht glauben, dass Arnaut sich doch entschieden hat, sie zu verlassen und am Kreuzzug teilzunehmen. In ihrem gekränkten Stolz und vermeintlich verschmähten Liebe, reagiert auch sie unbedarft und überzogen.

Um diese zwiespältigen Gefühle von Arnaut und Ermengarda nachvollziehbar darzustellen, hat Schiewe zu einem einfachen, aber doch genialen Trick gegriffen. Begleitet der Leser Arnaut als stiller Beobachter, werden ihm also seine Erlebnisse in auktorialer Erzählform präsentiert, so erzählt Ermengarda ihre Erlebnisse selbst und gewährt so einen gänzlich anderen Zugang zu ihrer Person.

Kreuzzüge sind Schiewes Stärke

Schon im ersten Band Der Bastard von Tolosa, zeigte Ulf Schiewe, dass er ein außerordentliches Talent besitzt, das oft falsche und verklärte Bild über die Kreuzzüge durch authentische und glaubwürdige Darstellungen zurechtzurücken. Auch in diesem Roman begibt er sich quasi wieder auf den für ihn sicher zu beherrschenden Boden. Er lässt nicht nur einfach Figuren an den grausamen Gemetzeln teilnehmen, sondern bietet gleichzeitig fundierte Einblicke in die Geschichte dieser Zeit. Dass dem Autor gute Recherche wichtig ist, wird man nicht nur durch eigene Nachforschungen feststellen können, sondern auch daran, wie penibel Orte und Umgebung des jeweiligen Landes beschrieben sind. Tatsächlich bereist der Autor viele Schauplätze der damaligen Zeit, um ein Gefühl für die Befindlichkeiten seiner Figuren zu bekommen.

Nichts für Zartbesaitete

Wenngleich man zweifelsfrei festhalten kann, dass dem Autor die realistische Darstellung der Schlachten und Kämpfe wohl am meisten liegen, so kommt man dennoch nicht umhin zu bemerken, dass er auch hinsichtlich Charakterzeichnung der Figuren einen positiven Schritt nach vorne gemacht hat. Ist das Kampfgetümmel auch grausam, brutal und blutig, so überschreitet Schiewe jedoch niemals die Grenze zum Reißerischen.

Werden historische Romane schon gerne mal in eine Schublade gesteckt, da diese scheinbar ohnehin nur seichte Liebesgeschichten sind, die in der Vergangenheit spielen, so zeigt Ulf Schiewe mit diesem Buch, wie interessante geschichtliche Tatsachen gekonnt mit Fiktivem in Szene gesetzt werden kann, ohne einerseits nur rein brutal oder anderseits nur schnulzig kitschig sein muss.

Dieser historische Roman verdient auch diese Bezeichnung. Ein paar kleine Schwächen hat zwar auch dieser Roman, doch die farbenprächtige und bildhafte Erzählung machen vieles wieder wett. Leicht und flüssig erzählt und dennoch spannend und beeindruckend, stellt der Autor mit dem dritten Band wunderbares Buch der "Montalban-Reihe" vor und man darf gespannt sein, ob der Autor in seinem nächsten Buch diesem Jahrhundert oder gar derselben Familien treu bleiben wird.

Die Hure Babylon

Ulf Schiewe, Droemer-Knaur

Die Hure Babylon

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