Der Schatten des Malers

  • Insel
  • Erschienen: Januar 2002
  • 1
  • Insel, 2001, Titel: 'The Dark Clue', Originalausgabe
Der Schatten des Malers
Der Schatten des Malers
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Rita Dell'Agnese
621001

Histo-Couch Rezension vonJun 2010

 Doch das wahre Ich des Malers bleibt verborgen

Es ist unbestreitbar ein guter Vorsatz, einen Roman über den Maler William Turner zu schreiben. Die Figur des Malers gibt genügend Stoff her, um einem Roman die notwendige Grundlage zu geben. Sehr geschickt auch die Idee, einen jungen Mann ins Zentrum des Romans zu setzen, der Mitte des 19. Jahrhunderts eben die Aufgabe erhält, die Biographie von William Turner zu recherchieren und zu schreiben. Soweit hat James Wilson also eine glückliche Hand bei seinem Projekt bewiesen. Doch leider hapert es dann bei der Umsetzung. Zwar versteht es James Wilson durchaus, das Interesse an den einzelnen Werken des beschriebenen Malers zu wecken – doch ob der Leser dann in der Lage ist, neben der Beschreibung in der Weite des Netzes auch das passende Bild dazu zu finden, sei dahingestellt. Zumindest jene, die ein nachdrückliches Interesse für Turner aufbringen, dürften sich die Mühe gemacht haben.

Zäher Ablauf

James Wilson schickt seinen Protagonisten Walter Hartright also auf die Suche nach dem Leben und Wirken von William Turner. Hat der Biograph zunächst noch Hemmungen, vertieft er sich bald in die verschiedenen Aspekte seiner Aufgabe. Dabei stellt er schnell fest, dass den Maler nicht nur Farben, sondern auch eine dunkle Seite prägten. Je mehr er von William Turners Leben erfährt, desto deutlicher wird für Walter Hartright, dass er ein Wespennest vor sich hat. Der junge Mann stößt auf Ungereimtheiten, auf Lügen und Intrigen und muss feststellen, dass nicht alle Menschen daran interessiert sind, die Wahrheit ans Licht der Öffentlichkeit zu holen. Damit wäre also Stoff für einen historischen Krimi gegeben. Doch leider will das Krimi-Element hier nicht so richtig greifen. Der Ablauf des Romans ist zäh, der Vergleich mit Waten im Schlamm drängt sich auf. Zwar mag man sich mit der Zeit etwas befreiter fühlen und der Roman nimmt auch tatsächlich ab etwa der Mitte etwas Fahrt auf … doch reicht es nicht ganz, sich wirklich mitreißen zu lassen.

Viel Drumherum

Statt die Geschichte voran zu treiben, verliert sich James Wilson immer wieder in vielen Detail-Schilderungen. Damit schafft er es zwar vorzüglich, die Atmosphäre des Londons im 19. Jahrhundert erlebbar zu machen, doch bleibt die Handlung dadurch etwas auf der Strecke. Wer Dickens mag, wird die Atmosphäre genießen, wer sich nach einer unterhaltenden Lektüre sehnt, wird davon eher erstickt. Deutlich zu spüren ist der Versuch des Autors, seinen Figuren einen Hauch vom Genie Sherlock Holmes zu verleihen. Doch bei aller Anstrengung mag es ihm nicht gelingen, seine Protagonisten über ein nettes Mittelmaß hinaus zu entwickeln. Sie sind und bleiben verhältnismäßig einfach in ihrer Struktur und lassen diesen feinen englischen Humor vermissen, der beim berühmten Meisterdetektiv jeweils mitschwingt.

Nur für wahrhaftige Fans geeignet

Unter dem Strich bleibt die Erkenntnis, dass dieser Roman von einem Autor geschrieben wurde, der sich intensiv mit dem Maler William Turner auseinandergesetzt hat – und der davon ausgeht, dass sein Publikum das auch tun möchte. Trotz allem aber bleibt das Wesen des Malers im Verborgenen. Denn es scheint immer mal wieder so, als wolle James Wilson auf keinen Fall das Renommee Turners beschädigen. So bleibt vieles unausgesprochen oder nur angedeutet. Letztlich ist Der Schatten des Malers zwar ein fundierter Roman über einen Mann, der verschiedene Facetten auf sich vereint haben dürfte, so richtig Aufschluss gibt er aber nicht über das Genie. Damit bleibt das Werk etwas, das nur für wahrhaftige Fans von William Turner – oder des Autors James Wilson – geeignet ist. Den anderen dürfte die Lektüre zu langatmig werden.

Der Schatten des Malers

James Wilson, Insel

Der Schatten des Malers

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