Der Spielmann

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  • Erschienen: Januar 2000
  • 2
  • , 2000, Titel: 'Der Spielmann', Originalausgabe
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Rita Dell'Agnese
901001

Histo-Couch Rezension vonJan 2010

Faszinierende Adaption eines Grimm-Märchens

Kurzgefasst:

Während sich in Frankreich am Hof des Sonnenkönigs Ludwig XIV. jede erdenkliche Pracht entfaltet, leiden die deutschen Lande unter den Folgen des 30jährigen Krieges. In dieser Zeit begeistert sich die behütet aufgewachsene, gebildete Fürstentochter Elisabeth für die aufkeimenden Gedanken von der Gleichheit von Mann und Frau. Sie widersetzt sich den Heiratsplänen ihres Vaters, bis dieser die Geduld verliert und sich zu dem Schwur hinreißen läßt, sie solle nach Ablauf eines Monats mit dem erstbesten Manne vermählt werden, der um ihre Hand anhält. Und just an diesem Tag betritt der verwegen aussehende junge Spielmann Jakob den Speisesaal des Fürsten. Er führt die verwöhnte Prinzessin auf die staubige Landstraße, und Elisabeth muß lernen, sich in der ihr gänzlich unbekannten Welt der Gaukler und Zigeuner, der Bauern und Küchenmägde zurechtzufinden.

 

Elisabeth von Messelstein soll heiraten. Doch die Prinzessin will sich keinem Mann unterordnen. Um zu verhindern, dass sich die Edlen aller möglichen Länder weiter um ihre Hand bemühen, deckt sie sie mit Spott und Häme ein und gibt sie öffentlich der Lächerlichkeit preis. Besonders den jungen König von Reupen, dem man nachsagt, er sei der Sohn einer Bäuerin, wird von ihr verhöhnt. Aus Wut über ihr Tun donnert ihr Vater, er werde sie demjenigen zur Frau geben, der nach Ablauf eines Monats als erstes um ihre Hand anhalten werde. So wird Elisabeth von einem Spielmann gefreit, der mit ihr Messelstein sofort verlässt und sie in eine schäbige Waldhütte bringt, wo sie nach und nach erkennen muss, dass ihr Hochmut ihr die wahren Schönheiten des Lebens vorenthalten hat. Der Kampf ums tägliche Brot lässt sie jedoch oftmals verzweifeln. An der Seite von Spielmann Jakob versucht sie dennoch, eine Existenz aufzubauen.

Sehr gut umgesetzt

Dass der Plot Assoziationen mit dem Grimm-Märchen "König Drosselbart" weckt, kommt nicht von ungefähr. Dieses Märchen, dessen Ursprung in einer überlieferten historischen Begebenheit zu finden ist, war die Grundlage für den Roman Der Spielmann. Ingrid Ganß hat den Stoff jedoch ausgesprochen subtil und gekonnt umgesetzt. Angesiedelt hat sie die Geschichte in den ersten Jahren nach dem 30jährigen Krieg. Die Länder sind ausgeblutet, es herrscht Not und Armut. Da und dort versuchen sich Bauern gegen die von den in luxuriöser Pracht lebenden Adligen erhobenen Abgaben und Steuern aufzulehnen. Meist bezahlen sie mit ihrem Leben dafür. Gleichzeitig gibt es erste zaghafte Anflüge von Emanzipation. Elisabeth, aber auch ihre Cousine Eleonore, wollen nicht zum strategischen Heiratsgut werden und lehnen sich gegen ihr Schicksal auf. Damit hat Ingrid Ganß gleich zwei aktuelle Themen in ihren Roman eingeflochten.

Sprachliche Klippen

Bis sich die wahre Schönheit des Romans Der Spielmann entfalten kann, müssen sich die Leser allerdings durch eine zähe Phase kämpfen. Obwohl die Autorin wohl aufzeigen wollte, mit welch unnatürlicher und gestelzter Sprache der Adel seine Überlegenheit über das gemeine Volk beweisen wollte, hat sie solch kantige sprachliche Klippen geschaffen, dass mancher Leser, manche Leserin daran zu zerschellen droht. Das Bemühen der Autorin darum, ein realistisches Bild zu vermitteln, hemmt den Lesegenuss allzusehr und es braucht schon einige Geduld, um bei diesem Einstieg nicht aufzugeben und das Buch beiseite zu legen. Das ist ausgesprochen schade, denn sobald die Messelsteiner Zeit zu Ende ist, liest sich der Roman flüssig und angenehm.

Leider ein paar Längen

Ausgesprochen feinfühlig erzählt Ingrid Ganß von der Wandlung der verwöhnten Prinzessin zur Spielmannsfrau. Doch hin und wieder verliert sich die Erzählung in Längen, die den Lesegenuss etwas einschränken. Es ist zwar nie so ausgeprägt, dass wirklich Langeweile aufkommt, doch bewegt sich Ingrid Ganß hier auf einem sehr schmalen Grat. Sie fängt dies allerdings mit einer gekonnten Ausarbeitung und Vielschichtigkeit der Figuren auf und lässt nirgends Ungereimtheiten aufkommen.

Bessere Aufmachung verdient

Ein großer Negativpunkt ist leider die Aufmachung des Buches. Der Dryas-Verlag, der das Buch Der Spielmann in einer Neuauflage heraus gebracht hat, hat nicht nur eine ausgesprochen unhandliche Broschur gewählt, auch das Schriftbild ist ermüdend und leseunfreundlich. Dieser schöne und tiefgründige Roman hätte eine bessere Hülle verdient.

 

Der Spielmann

Ingrid Ganß, -

Der Spielmann

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