Jerusalem von
Buchvorstellungund Rezension
Originalausgabe erschienen 2011unter dem Titel „Jerusalem“,, 720 Seiten.ISBN nicht vorhanden.
Kurzgefasst:
Gott will es! Befreit Jerusalem, und die Sünden sind euch vergeben! Anno Domini 1095. Papst Urban II. ruft das Volk zum Kreuzzug auf. Unter den Zuhörern ist auch Jean-Rutgar von Les-Baux, ein junger Ritter aus der Provençe. Von Frankreich durch ganz Europa, über Konstantinopel nach Kleinasien und weiter durch unbekanntes Land ziehen die Kreuzfahrerheere gen Jerusalem. Ein Weg, der für Rutgar viele Abenteuer, manche Entbehrungen und schließlich die große Liebe seines Lebens bereithalten wird – auch wenn er mehr und mehr daran zweifelt, das verheißene Königreich des Himmels je zu erreichen.
Das meint Histo-Couch.de: „Ein mühsamer Weg für Pilger und Leser“
Rezension von Christina Wohlgemuthüberspringen
Frankreich, 1095. Papst Urban II. ruft die Gläubigen in einer eindrucksvollen Rede auf, das Heilige Land zu befreien und die verfolgten Glaubensbrüder zu retten – denn die heilige Stadt Jerusalem ist schon seit vielen Jahren in der Hand der Muslime. Unter den Zuhörern befindet sich Jean-Rutgar, der uneheliche Sohn eines provencalischen Grafen. Zu Hause ohne Perspektive und beeindruckt von der Massenbewegung schließt sich Jean-Rutgar dem Kreuzzug an – und erlebt, zunächst an der Seite des Peter von Amiens, später unter verschiedenen Führern des Kreuzzuges, die schwere Reise durch ganz Europa bis ins Heilige Land …
1095, das Jahr, das als Geburtsstunde der Kreuzzüge gilt. Papst Urban ruft – je nachdem, welcher Quellenlage und Meinung unter Historikern man folgt – zum Heiligen Krieg auf – und tausende und abertausende Folgen. Der Kreuzzug, der sich in viele Fraktionen spaltet und sich in viele kleine Züge unterteilt, bedeutete sowohl für die Pilger als auch für die Bewohner der Länder, durch die die Kreuzzügler zogen, Entbehrungen, Lebensgefahr und Elend.
Eine spannende Epoche, deren Darstellung nur begrenzt überzeugt
Der erste Kreuzzug von 1096 bis 1099, der mit der Einnahme Jerusalems durch die Kreuzritter endete, führte zur Bildung mehrerer Kreuzfahrerstaaten. Warum die Staaten nicht von Dauer waren und sich gegenseitig schwächten, zeichnet sich bereits während dieses Kreuzzuges ab: die weltlichen Führer des Kreuzzuges, gleich ob selbsternannt oder tatsächlich berufen, ringen um die Beute, ringen um die Gunst des Papstes, ringen um Land. Die schier unüberblickbare Anzahl an Heerführern spiegelt sich auch im Roman wieder – leider zum Nachteil des Lesers. Denn obwohl sich der Autor bemüht, einzelne Führungsfiguren herauszugreifen und sie wiederholt auftreten lässt, bleiben sie als Charaktere nicht in Erinnerung. Sie alle verschwimmen – auch für den Leser mit groben Vorkenntnissen – in einem Einheitsbrei, aus dem sie nur szenenweise auftauchen.
Überzeugen kann der Autor mit seiner Darstellung der Entbehrungen und des Leids, das sowohl die Pilger als auch die einheimische Bevölkerung erleiden müssen. Entfernungen, deren Unüberwindbarkeit für den Leser heutzutage nicht mehr nachvollziehbar sind, werden während des Romans auch für diesen greifbar und nachvollziehbar. Die Plünderung der Städte, die tägliche Gefahr, einem Überfall oder einer Krankheit zu erliegen, ist allgegenwärtig. Doch gerade darin liegt auch ein Problem des Romans. Der Autor ergeht sich in Wiederholungen der immer selben Szenen, ohne diese abzuwandeln. Plünderung gleicht Plünderung, Krankheitswelle gleicht Krankheitswelle. Das ermüdet den Leser trotz der eigentlich überzeugenden Darstellung auf einer Dauer von über 700 Seiten. Fahrt nehmen Geschichte und Darstellung erst ab der Belagerung Antiochias auf.
Figurenzeichnung und Stil überzeugen nur begrenzt
Neben Jean-Rutgar und seiner Geliebten treten nur wenige Figuren so bedeutsam hervor, dass sie einen bleibenden Eindruck beim Leser hinterlassen. Neben den nur schwierig unterscheidbaren Heerführern des Kreuzzuges bleiben auch die Weggefährten der Protagonisten eher blass – einzelne Ausnahmen bilden bedeutende Nebenfiguren wie Peter von Amiens. Auch stilistisch kann die Geschichte nicht überzeugen: lange Schachtelsätze, die manchmal über ganze Absätze reichen, stören des Lesefluss ebenso wie ungewöhnliche Satzkonstruktionen oder seltsam klingende Vergleiche. Hier wäre ein intensiveres Lektorat möglicherweise hilfreich gewesen.
Letzten Endes bleibt Jerusalem eine Geschichte mit vielen Möglichkeiten und guten Ansätzen, die jedoch im Endeffekt daran scheitern, dass der Autor allen Aspekten der Geschichte genügen will – und es im Endeffekt nicht wirklich schafft. Über die Epoche der Kreuzzüge liegen dem geneigten Leser weit bessere Bücher vor.
Ihre Meinung zu »Hanns Kneifel: Jerusalem«
M.Reinsch zu »Hanns Kneifel: Jerusalem« | 22.07.2016 |
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